11.11.05

9.November (Flugi)

Mahngang und Demonstration
8.-10. November 1938:
Pogrome gegen die jüdische Bevölkerung in Deutschland
Am Morgen des 10. November 1938 wurden in Gießen, wie in vielen anderen Städten und Gemeinden in Deutschland, Synagogen, jüdische Geschäfte und Häuser von Nazis und ihren Anhängern niedergebrannt. Menschen wurden geschlagen, gejagt und ermordet. Die Bevölkerung sah weg oder klatschte Beifall und beteiligte sich an den Pogromen. Dieses dreitägige Pogrom, das von den Nazis zynisch Reichskristallnacht genannt wurde, war ein wichtiger Schritt zur Festigung der Macht der Faschisten. Die von den Nazis von langer Hand vorbereitete Aktion hatte zwei Ziele: Die ökonomische Ausplünderung der jüdischen Bevölkerung und die Einschüchterung von möglicher Opposition. Und tatsächlich blieb jeglicher Widerstand gegen dieses verbrecherische Vorgehen aus. Es folgte der 2. Weltkrieg mit über 50 Millionen Toten und der Holocaust. Diese industrielle Massenvernichtung der jüdischen Bevölkerung Europas, sowie anderer als nicht lebenswert empfundener Menschen ist das schlimmste Verbrechen der Menschheitsgeschichte. Nach der Befreiung der Welt vom deutschen Faschismus durch die Truppen der Anti-Hitler-Koalition galt unter AntifaschistInnen die Forderung: „Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg“. Heute, 60 Jahre später vergeht kaum eine Woche, in der es nicht zu Neonaziaufmärschen kommt, jüdische Friedhöfe geschändet werden und Menschen ohne deutschen Pass und/oder weißer Hautfarbe angegriffen oder ermordet. So wurden seit 1990 mehr als 130 Menschen, die nicht in das menschenverachtende Weltbild der Neonazis passen von diesen ermordet. Auch in Mittelhessen haben die Aktivitäten der Neonazis zugenommen. In Gladenbach und Marburg demonstrierten militante Neonazis. In Gießen dient die studentische Burschenschaft Dresdensia-Rugia (DR) als NPD-Kaderschmiede. Spätestens seit der „Bombenholocaust“-Rede von dem NPDler und DR-Mitglied Jürgen Gansel im sächsischen Landtag und dem Bekantwerden der Aktivitäten von mindestens zwei weiteren ‚Dresdensen’ für die NPD-Landtagsfraktion ist die bundesweite Bedeutung der DR für die rechtsextreme Szene deutlich geworden.
Rassismus, Antisemitismus und MigrantInnenfeindlichkeit sind nicht nur ein Phänomen der extremen Rechten, sondern kommen aus der Mitte der Gesellschaft. Als vermeintlich Schuldige für zunehmende Kriminalität und Sozialabbau werden Flüchtlinge und andere Minderheiten hingestellt.
Seit einigen Jahren werden die Deutschen innerhalb eines großen Teils aktueller Geschichtsaufarbeitung zu den eigentlichen Opfern von Faschismus und Zweiten Weltkrieg stilisiert. Ob im Bombenkrieg oder durch Flucht und „Vertreibung“: gelitten hätten auch – und vor allem – die Deutschen, so lautet die Botschaft zahlloser Publikationen, Fernsehdokumentationen und Politikerreden. Die aktuelle Umwidmung des kriegsverherrlichenden und NS-Verbrechen relativierenden Greif-Denkmals, durch den Magistrat der Stadt Giessen (aus CDU, FWG und FDP), in eine Erinnerungsstätte „gegen Gewaltherrschaft, Krieg, Völkermord und Vertreibung“ ist ein regionales Beispiel jener Umdeutung deutscher Geschichte.

Wir rufen auf am 9. November 2005 auf die Straße zu gehen. Wir wollen den Opfern der Pogrome und des Holocaust gedenken und unsere Stimme gegen Neofaschismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit erheben.

09.11.05 18 Uhr
Berliner Platz Giessen
Organisiert vom „Bündnis gegen Rechts Giessen“
UnterstützerInnen: VVN/BdA Giessen, AntiFaR4, Infoladen Giessen, DGB-Mittelhessen, Rote Hilfe Giessen, AStA JLU Giessen, verdi-Mittelhessen, DKP Giessen, Linkspartei Giessen, Demokratische Linke Giessen, SDAJ Giessen, JUSOS UB Giessen, Montagsdemo-Gruppe Giessen, Verband der Sinti und Roma Giessen