29.08.05

Greif-Denkmal (Flugi)

Das Greif-Denkmal- Eine Gießener Gedenkstätte im Spannungsfeld bundesdeutscher Erinnerungspolitik

Am 11.09.2005 findet die Umwidmung des sog. „Greif-Denkmals“ an der „Licher-Gabel“ (Kreuzung Grünberger- und Licherstraße) statt, vorgenommen vom Magistrat der Stadt Giessen. Das Denkmal, welches seit 1994 ohne die umstrittene Greif-Skulptur auskommen muss, ehrt seit 1957 das ehemalige NS-Kampfgeschwader 55 „Greif“, welches seinen Sitz in Gießen hatte. Die nun geplante Umwidmung in ein „Denkmal gegen Krieg, Gewaltherrschaft, Völkermord und Vertreibung“ stellt nur scheinbar eine fortschrittliche Sinngebung dar. Teil des Konzeptes der Denkmalsumwidmung ist auch die Wiederaufsetzung des Symbols des Greifgeschwaders, auch wenn der sog. „Greif“ am 11.09.vermutlich noch nicht auf das Denkmal gesetzt werden wird.

Im folgenden Flyer möchten wir zunächst kurz die Kriegsverbrechen des Kampfgeschwaders KG „Greif“ in der Zeit von 1933 bis 1945 beleuchten. Zur Ehrung dieses Geschwaders wurde das gleichnamige „Greif-Denkmal“ in der Licherstraße/ Ecke Grünbergerstraße errichtet. Anschließend möchten wir nach einem kurzen historischen Abriss der Erinnerungsstätte und der in der jüngeren Vergangenheit durchgeführten sog. „Heldengedenken“ sowie der Proteste gegen eben diese, einen Blick auf die aktuellen geschichtspolitischen Diskurse der letzten Jahre in der BRD werfen, in deren Verlauf eine kontinuierliche Umdeutung der deutschen und europäischen Geschichte von 1933-1945 erfolgt(e).

Die Geschichte des Kampfgeschwader KG 55 „Greif“


Eine Vorläufereinheit des „Kampfgeschwader 55 „Greif“ (im folgenden KG 55) wurde 1937 in Norddeutschland aufgestellt. Im Laufe der kommenden Jahre wurde die Kampfgruppe nach Gießen verlegt. Die Einheit wurde nach Quellenangaben der mittelhessischen Stadt „von der ganzen Bevölkerung herzlich begrüßt.“ 1939 erhielt das Geschwader nach einer erneuten Umbenennung ihre endgültige Bezeichnung: „KG 55“. Auf Vorschlag der aus dem spanischen Bürgerkrieg[1] zurückkehrenden Angehörigen der Einheit erhielt das „KG 55“ den Beinamen „Greif“[2].

Beim Einmarsch der deutschen Wehrmacht in die Tschechoslowakei 1938 wurde das KG 55 „Greif“ zum Abwurf von Propagandamaterialien eingesetzt. Während des Zweiten Weltkriegs kam die in Gießen stationierte Einheit im Rahmen des Einmarschs in Polen und Frankreich und der „Operation Barbarossa“, dem Einfall in die Sowjetunion, zum Einsatz.

Besonders hervorzuheben ist an diesem Punkt die Teilnahme an Flächenbombardements auf Covenrtry, Rotterdam und sowjetische Städte bei denen mehrere tausend Menschen durch die Bomben der faschistischen Kampfverbände ermordet wurden.


Entstehungsgeschichte des „Greif- Denkmals“ in Gießen


Nach Informationen des Stadtarchivs Gießen wurde mit dem Bau des „Greif-Denkmael“ bereits im Juli 1939, also bereits während der NS-Zeit und vor Beginn des Zweiten Weltkriegs, der mit dem deutschen Überfall auf Polen am 1. September datiert wird, an der Kreuzung Licher Str./ Grünberger Str. begonnen. Im Laufe des Krieges wurde das Denkmal als ein Ehrenmal für die im Feldzug gegen Polen Gefallenen errichtet, aufgrund des Kriegsverlaufs aber nicht vollendet.

Die Vollendung des Denkmals sollte erst einige Jahre nach Kriegsende wieder forciert werden. 1956 erteilte der Magistrat der Stadt Gießen dem Traditionsverband des ehemaligen „KG55“ die Genehmigung zur Fertigstellung des Denkmals. Der ehemalige Kampfflieger des KG „Greif“ und Bildhauer Klaus Seelenmeyer fertigte im Auftrag des Traditions-verbandes einen zum Flug ansetzenden Greifvogel aus Bronz an. Am Pfingstwochenende 1958 fand im Rahmen des vierten Nachkriegstreffens der ehemaligen KG55-Angehörigen die Einweihung des „Greif“ und dessen Übergabe an die Stadt Gießen statt.

Der anlässlich der Übergabe gehaltene Redebeitrag verdeutlicht sehr anschaulich die revisionistische und kriegs-verherrlichende Atmosphäre, die in den 50er und 60er Jahren den

bundesdeutschen Erinnerungsdiskurs prägte. So vertrat der damalige FDP-

Stadtrat Kötter in seiner Rede im Rahmen der Gedenkfeierlichkeiten die Auffassung, das Denkmal habe nicht etwa die Funktion der Mahnung an Krieg und Zerstörung, sondern diene vor allem als Mahnmal für die

Angehörigen der gerade entstandenen Bundeswehr, die nur in der Traditionsverbundenheit zu ihren Vorläufern bestehen und gedeihen könne. Außerdem symbolisiere das Denkmal für ihn die Dankbarkeit der Giessener Bevölkerung gegenüber des „KG Greif“.

1988 wechselte die Obhut des Denkmals vom Traditionsverband „Greif“ zu dem in Lich stationierten Flugabwehrraketenkommando. 1994 wurde die ursprüngliche Inschrift von Unbekannten zerstört und weig später der Greifvogel vom Obelisken entwendet. Nachdem der stark beschädigte Bronzeadler wieder gefunden wurde, beschloss die Stadtverordnetenversammlung, den Adler zwar wieder auf den Sockel zurückkehren zu lassen, jedoch ohne finanzielle Zuschüsse aus dem städtischen Haushalt. In Folge ließ der Traditionsverband den Vogel restaurieren, brachte ihn aber aus Angst vor erneuter Beschädigung nicht wieder an. 2002 beschloss die Stadtverordnetenversammlung die Umgestaltung des Ehrenmals in ein Mahnmal „gegen Krieg, Völkermord, Vertreibung und Gewaltherrschaft“.

Die Einweihung wird wird nun am 11. September im Rahmen des Tag des Denkmals erfolgen. Unklar ist derzeit wann der „Greif“ wieder auf das Denkmal kommt. Zum Konzept der Stadt gehört auch die Wiederaufsetzung. Da allerdings der „Kameradschaftskreis“ des KG 55 Angst vor erneuter Beschädigung hat, und der Magistrat keine Zusicherung geben kann, dass der „Greif“ nicht wieder beschädigt wird, steht eine Entscheidung darüber noch aus.


Proteste gegen Denkmal und „Heldenverehrungen“


Im Zusammenhang mit dem „Greif- Denkmal“ kam es im Mai 1978 erstmals zu massiven Protesten infolge eines von der NPD organisierten „Heldengedenkens“. Nachdem die ursprüngliche Veranstaltung der NPD auf der Burg Staufenberg wegen Protesten von den örtlichen Behörden untersagt wurde, versuchten die Faschisten ihre Kundgebung nach Gießen zu verlegen. Doch nach erneuten Protesten von Sozial-demokratInnen und Gewerk-schafterInnen in Form einer Gegenkundgebung der VVN-BdA (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes-Bund der Antifaschisten) sprachen sich die Stadtoberen gegen die „Ehrenwache“ von JN (Junge Nationaldemokraten) und NPD aus. Am Tag der Veranstaltung versammelten sich ca. 400 AntifaschistInnen vor dem in der Nacht zuvor bemalten Denkmal mit der Parole „Nazis raus“.

Neben den Gedenkveranstaltungen extrem rechter Parteien sorgten auch die Feierlichkeiten des Kameraden-kreises „Greif“ für Proteste.

1987 wurde eine Kranzniederlegung des Kameradenkreises durch ca. 20 AntifaschistInnen verhindert. Um die Konfrontation bei zukünftigen Gedenkfeierlichkeiten zu vermeiden, verzichtete der Traditionsverband in den Folgejahren auf diese gänzlich.

In der anschließenden Debatte, die maßgeblich in den lokalen Tageszeitungen ausgetragen wurde, bekräftigte der Vorsitzende des Traditionsverbands, Friedrich Jordan immer wieder seine Abneigung gegenüber den Protestierenden bzw. dem erzwungenen Verzicht auf die Kranzniederlegung. Für ihn bedeute die Kranzniederlegung, so Jordan, nicht eine Verherrlichung des Krieges, sondern eine Ehrung der „Gefallenen“ und Vermissten des KG55 „Greif“.

Karin Hagemann, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Stadtrat forderte 1994 im Verlauf der Debatte um die Umwidmung des Denkmals, dass diese keinen Raum lassen dürfe für öffentliche kriegsverherrlichende Heldenehrungen sowie für neofaschistische Ansammlungen.


Die Umwidmung des „Greifs Denkmals“ im Kontext erinnerungspolitischer Universalisierung von Leid


Die aktuell geplante Umwidmung des Giessener Magistrats (aus CDU, FWG und FDP) des Greif-Denkmals in eine Erinnerungsstätte „gegen Krieg, Vlökermord, Vertreibung und Gewalt-herrschaft“ spiegelt nur allzu gut Geschichte und Gegenwart bürgerlichen Umgangs mit der Zeit des deutschen Faschismus wieder. Der Umgang in der BRD mit der Zeit zwischen 1933-45 war stets geprägt von einem schleppenden Gedenken an die Opfer der Verbrechen Nazi-Deutschlands. Dem stand jedoch bereits in den frühen Jahren der BRD-Gründung die Erinnerung an die deutschen Opfer dominierend gegenüber. Allerdings ging dies einher mit einem Mythos des vermeintlichen Tabus, die Leiden „der Deutschen“ ansprechen zu dürfen. Faktisch fand die Nennung der Schäden in deutschen Städten und die Zählung der Opfer unter der Zivilbevölkerung, bedingt durch alliierte Bombenangriffe in den letzten Kriegsjahren, bereits früh ihre literarische Aufarbeitung. Ebenso begannen sog. „Vertriebenen-verbände“ früh die Umsiedlungen der sog. „Volksdeutschen“ als Verbrechen zu bezeichnen. Damals ebenso wie Heute fand dies schon ohne geschichtlichen Kontext und Nennung der NS-Verbrechen in den Ostgebieten statt. Bis heute allerdings wird der Mythos vom Tabu der Darstellung des ‚deutschen Leids’ aufrechterhalten. In Bestsellern wie Jörg Friedrichs Buch „Der Brand“, aber auch in TV-Dokumentationen, wie Knopps „Große Flucht“, in der die Vertreibung der sog. „Volksdeutschen“ aus Osteuropa thematisiert wurde, spiegelt sich die Sehnsucht nach einer Anerkennung des ‚deutschen Leidens’ wieder.

Einher geht das Gedenken an die Zeit des deutschen Faschismus mit einer Personalisierung der Verantwortung der Verbrechen auf Hitler und die Führung der NSDAP. Die restliche deutsche Bevölkerung wird so entlastet. Ihr Jubel bei den „Führerparaden“, ihre Verantwortung beim Totschweigen der Verbrechen der Wehrmacht, ihr Mitmachen bei der administrativen Ermordung von Millionen von Menschen wird für den Siegeszug des Nationalsozialismus auf einmal unbedeutend. Auch die Entnazifizierung bot kaum eine Möglichkeit der konsequenten juristischen Verfolgung: Mit Persilscheinen konnten sich viele Nazis in die Bundesrepublik retten. Der Appell, sich nun fleißig am Wiederaufbau zu beteiligen ersetzte die notwendige gesellschaftliche Aufarbeitung des Vergangenen.

Die Sehnsucht nach einer Normalisierung der Geschichte und der Anerkennung des Leids, gar des „Schicksals der Deutschen“, wird insbesondere in Darstellungen von Zeitzeugengesprächen der ‚Knopp-schen Reihe’ deutlich. Kontextlos erzählen jene Zeitzeugen vom Leid der Deutschen, stets mit Verweis auf Den Befehlsnotstand und die daraus folgende Verantwortungslosigkeit ohne Blick auf Vorgeschichte, Motivation und individueller Mitverantwortung.

Die Loslösung der Taten und ihrer Opfer von den Tätern führte zu einer „Anthropologisierung von Leid“. Leid wird entkontextualisiert und universalisiert, als wäre Leid schlicht über Europa und die Menschen hereingebrochen. Die Nennung der Opfern der NS-Verbrechen in einem Atemzug mit dem entkontextualisierten „Leid der Deutschen“, insbesondere derer, die sich als Mitglieder von SA, SS oder Wehrmacht an den unmenschlichen Massenmorden unmittelbar beteiligten, führt schlicht zu einer Opfer-Täter-Gleichsetzung.

Die Diskurse um das ‚Holocaust-Mahnmal’ als auch die Stiftung zur Entschädigung von Zwangs-arbeiterInnen stellen in diesem Kontext eher eine Bestätigung, als einen Widerspruch dar. Zum einen mussten diese Projekte stets von den Betroffenen eingefordert werden, zum anderen dauerte es mehr als 50 Jahre bis zu ihrem Abschluß, wohingegen in nahezu jedem Dorf durch Denkmäler den deutschen Soldaten gedacht wird.


„Den Toten zum Gedenken- Den Lebenden zur Mahnung gegen Krieg, Völkermord, Vertreibung...“


An der Inschrift der neu angebrachten Tafel des „Greif-Denkmals“ wird die Universalisierung von Leid mehr als deutlich. Statt die Taten des ‚Greif-Geschwaders’ offen zu benennen und zu verurteilen, werden die „gefallenen Kameraden“ im selben Atemzug mit den Opfern der NS-Verbrechen und den Opfern der Luftangriffe des Geschwaders genannt. Der Krieg wird europäisiert, Beweggründe, Ursachen und Verursacher (einschl. dt. Unternehmen) werden nicht mehr benannt. Der Begriff ‚Vertreibung’ erfährt ebenso eine Universalisierung und nennt sowohl JüdInnen, OsteuropäerInnen und alle anderen Menschengruppen, die vor der „Expansionspolitik“ fliehen mussten mit denen, die als „Volksdeutsche“ dem

„Reich“ durch Terror angegliedert oder in Osteuropa nach 1939 angesiedelt wurden. Insbesondere an diesem Punkt versuchen aktuell selbsternannte „Vertriebene“, (von denen ein großer Teil an Verbrechen beteiligt war oder von den „Germanisierungen“ profitierte) diesen Ursprung der Umsiedlungen vergessen zu machen, sich als „Opfer des Krieges“ darzustellen und diese Sichtweise im geplanten „Zentrum gegen Vertreibung“ umzusetzen.


„...und Gewaltherrschaft“


Eine weitere Gleichsetzung, jedoch jene von Verbrechen, geht mit dem Begriff der „Gewaltherrschaft“ einher. Seit 1989 versuchen insbesondere konservative Teile der Gesellschaft eine Gleichsetzung von NS-Verbrechen mit jenen des SED-Regimes voranzutreiben. Die These des Totalitarismus, die undifferenzierte Darstellung beider Systeme als Diktaturen desselben Wesens, dient sowohl der nachträglichen Delegitimation der DDR als auch einer Diskreditierung linker Politik im Allgemeinen. Speziell an diesem Fall wird deutlich, dass Gedenken auch Teil der Politik darstellt. Die Vermittlung soll deutlich machen, dass fernab von Ausmaß, Intention und Zielen der Systeme beide eine „Gewaltherrschaft“ in gleicher Art und Weise darstellten. Der Holocaust als das zentrale Merkmal der NS-Diktatur wird bei dieser Gleichsetzung, ebenso wie viele andere Unterschiede, bewusst ausgeblendet. Die Singularität von Auschwitz und dem Vernichtungskrieg des NS wird mit Stalins Diktatur in Form der „doppelten Diktatur“ (CDU-Bundestagsantrag zur „Förderung von Gedenkstätten zur Diktaturgeschichte in Deutschland“) gleichgesetzt. Darüber hinaus wird verschwiegen, dass die Weimarer Republik von Eliten aus Wirtschaft und Politik an die Nazibewegung ausgeliefert wurde. Ein solcher Ansatz ist blind für die Tatsache, dass die Ideologeme der extremen Rechten ihren Platz weit in der Mitte der Gesellschaft hatten und haben.


„Trauernde Witwe“ als Wiedergutmachung für alle Opfer?


Die Skulptur der „trauernden Witwe“, die vor dem Obelisken aufgestellt werden soll, treibt die Opfer-Täter-Gleichsetzung voran - auch wenn die Intention eine andere gewesen sein mag. Betrachtet werden dabei muss jedoch, dass der vermutlich gutgemeinte Vorschlag, auf die Intention des Künstlers Matthes von Oberhessen zurückgeht, er Finanzierung organisierte und die Stadt nicht einmal eine Ausschreibung für zusätzliche Vorschläge vornahm, sich aber mit der „Witwe“ vermutlich eine Besänftigung der Greif-Kritiker erhoffte. Die „Witwe“ als Symbol der Trauer, stellt jedoch auch die Frage nach nötiger Differenzierung. Denn auch an der „Heimatfront“ wurde dem Kriegstreiben zugearbeitet. Auch Frauen standen dem „Führer“ bei seinen Paraden jubelnd gegenüber, unterstützten Kampfverbände und denunzierten RegimegegnerInnen. Oder sind gar die Witwen der „gefallenen tapferen Kameraden“ des Greifgeschwaders gemeint?


Ein fauler Kompromiss: Das Symbol des „Greifs“ im Kontext eines Antikriegdenkmals?


Die Gedenken an ein Geschwader das an einen Aggressions- und Vernichtungskrieg beteiligt war, führten glücklicherweise schon früher zu Protesten. Auch die Reduzierung der Wehrmacht oder eines Geschwaders auf ihre Funktionalität und die Lobpreisung der soldatischen Tugenden stellt keineswegs eine neue Entwicklung dar. Die Bundeswehr verstand sich lange in der Tradition der Wehrmacht, Namensgebungen von Kasernen nach Wehrmachtsangehörigen (heute noch immer in mehr als 30 Fällen bundesweit), die Leugnung der Wehrmachtsverbrechen, die Diskreditierung von Deserteuren als „Vaterlandsverräter“ zeugen davon. Das Gedenken an tote ‚Kameraden’ stellt offensichtlich einen Schulterschluss mit Wehrmachtssoldaten dar, hier mit den Mitgliedern des Geschwaders. Widerlichstes Beispiel stellt der bayerische Ort Mittenwald dar, wo Bundeswehrsoldaten, aber auch Edmund Stoiber jährlich „alte Kameraden“ einer ‚SS-Gebirgsjägertruppe’ für ihre Tugenden: Tapferkeit, Vaterlandsliebe und Kameradschaft loben. Die Entkontextualisierung des Krieges und die Reduzierung der Wehrmachtsverbände auf ihre Funktionalität dient schlicht der nachträglichen Rehabilitierung der Verbände und soll die nationale Gemeinschaft als Kollektiv vor einer Spaltung bewahren. Nur so kann individuellem Leid freier Lauf gelassen werden und schließlich als Teil des nationalen Kollektivs seine Würdigung erhalten.

Eine Anerkennung der Täter als Opfer benötigt jedoch auch eine Unschuld der Individuen, die hier jedoch keineswegs erkennbar ist. Ein versöhnliches Gedenken einiger Kameradschaftskreise an alle Opfer des Krieges reicht jedoch nicht aus, solange die kontinuierliche Ehrung der eigenen Truppenverbände und deren Verbrechen weiter stattfindet. Die vorgesehene Wiederaufsetzung des „Greifs“ auf den Obelisken ist Ausdruck mangelnder Distanz bzw. offener Ehrung des Geschwaders. Klaus Möllers (II) (CDU) Vorwurf, mit der „Beseitigung des Greifen werde ein authentisches Stück Stadtgeschichte ausradiert“, stellt jedoch die Frage nach dem Verbleib weiterer ‚authentischer’ Ereignisse: so die zahlreichen Beschädigungen des Denkmals als auch Entwendung des ‚Greifs’. Zudem fehlt auf der, neben dem Obelisken angebrachten Tafel, jeglicher Hinweis auf die Treffen Rechtsextremer. Alles in allem ein sehr beschönigender Umgang mit der „authentischen Stadtgeschichte“. Bezeichnend ist in dem Prozess der Umwidmung zudem, dass zwar Vertreter des „Kameradenkreises“ anwesend waren, nicht jedoch Vertreter von Opfergruppen oder GegnerInnen des Denkmals.


Fazit


Das konkrete Gedenken an die Opfer des deutschen Faschismus sollte im Mittelpunkt des Erinnerns an Nazi-Deutschland stehen und ist gegen jeden relativierenden deutschen Opfermythos zu verteidigen. Dazu gehört auch die konsequente Nennung der Verbrechen des Geschwaders und deren Verurteilung, als eindeutige Mahnung gegen Kriegsverbrechen und Militarismus. Wenn jedoch nur noch Toten und Menschen gedacht wird und Handlungen nicht mehr im Kontext

Betrachtet werden, folgt daraus eine Gleichsetzung. Die Opfer werden nachträglich verhöhnt indem sie in einem Atemzug genannt werden mit ihren Peinigern und Mördern, die lediglich die Folgen eines Krieges zu tragen hatten, den sie selber anzettelten. Keineswegs soll den Angehörigen der letzteren ihre individuelle Trauer genommen werden. Ein Erinnern an die Funktion der Individuen, an ihre Rolle als Soldaten, und eine damit einhergehende Ehrung stellt jedoch alles andere als eine eindeutige Distanzierung gegenüber dem Vernichtungskrieg der Nazis dar, ebenso wenig wie ein Bekenntnis zum Antimilitarismus.



  • Daher sprechen wir uns gegen die Wiederaufsetzung des „Greifs“ aus.
  • Wir plädieren für die Umwidmung des Denkmals eine Erinnerungsstätte für die Opfer des Faschismus. Ehrung sollte in diesem Kontext den WiderstandskämpferInnen und Deserteuren zukommen. Mit Bezug auf Gießen würde sich Ria Deeg mit ihrem Engagement gegen die NS- Herrschaft anbieten.
  • Zudem fordern wir für die Anbringung einer Tafel, die explizit die Verbrechen des Geschwaders dokumentiert. Zu der dringend notwendigen Auseinandersetzung mit dem Denkmal gehören sowohl die Thematisierung der Aufmärsche extrem rechter Gruppen, verbunden mit einer Mahnung vor einem neuen Erstarken des Faschismus, als auch die Proteste der DenkmalsgegnerInnen.

Zudem rufen wir dazu auf, die angemeldete Protestveranstaltung einiger Gießener Gruppen, im Anschluss an die Umwidmungszeremonie der Stadt, zu unterstützen.

Daher: Protest zeigen gegen diese Umwidmung des Denkmals: 11.09.05 11 Uhr Ecke Licherstr./Grünbergerstr.





[1] Im spanischen Bürgerkrieg von 1936-39 kämpften Luftwaffenverbände der deutschen Wehrmacht auf Seiten der spanischen Faschisten unter Führung von Fransisco Franco. Die Angriffe dieser Einheiten forderten mehrere tausend Opfer unter der Zivilbevölkerung. Einige Städte wie beispielsweise die baskische Stadt Guernica wurden dem Erdboden gleichgemacht.

[2] Der „Greif“ ist ein Fabelwesen, dessen Hinterleib einem Löwen ähnelt, während Vorderleib und Kopf das Aussehen eines Adlers haben.


Folgende Gruppen unterstützen diesen Aufruf: Demokratische Linke, AntiFa R4, Infoladen Giessen.