05.05.05

Dresdensia dichtmachen! (Aufruf)

NPD-KADERSCHMIEDE DRESDENSIA-RUGIA DICHTMACHEN!
Demonstration gegen neofaschistische Burschenschaft in Giessen!

Ein Aufschrei ging durch Deutschland, als der NPD-Landtagsabgeordnete im sächsischen Parlament, Jürgen W. Gansel jüngst eine Rede über den „Bombenholocaust von Dresden" hielt, womit er die Bekämpfung des Deutschen Nationalsozialismus durch die britischen Fliegerangriffe der Royal Air-Force im Februar 1945 zum Zwecke eines schnellen Endes der deutschen Barbarei meinte. Wenngleich selbst unter großen Teilen der Bürger, bis hinein in die PDS-Wählerschaft in Sachsen der Begriff „Bombenholocaust" als durchaus akzeptable Begrifflichkeit angesehen wird, so hat trotz allem das zivilgesellschaftliche Deutschland ein Problem, wenn solche Töne vor laufender Kamera im Parlament ertönen- schliesslich hat man spätestens seit dem „Aufstand der Anständigen" im Sommer 2000 erkannt, dass pöbelnde Neonazis nicht gut für das Image eines sich geläutert gebenden Deutschlands sind - selbst wenn sie, wie Gansel, blass und mit Rollkragenpullover daherkommen statt kahlgeschoren und mit Stiefeln bis zum Knie.
Aber auf welchen (Um-)Wegen ist dieser hagere, blonde Jüngling, der in seinem dezenten C&A-Outfit fast schon etwas verschüchtert wirkt, in den sächsischen Landtag gekommen - und wo liegen seine politischen Wurzeln?

In Giessen machte Gansel das erste Mal 1995 als Student für Geschichte und Politikwissenschaften von sich reden, als unter seinem Namen eine Erklärung der Burschenschaft Dresdensia Rugia in Umlauf kam, in der er die „Liquidation der deutschen Werte durch die Besatzer" beklagte - Anlass für diese Erklärung war der 50. Jahrestags der Befreiung der Welt vom deutschen Faschismus durch die Alliierten. In den darauffolgenden Jahren etablierte sich Gansel in der ultrarechten Szene, so wurde er zum Vorsitzenden der Jungen Landsmannschaft Ostpreußen (JLO)-Hessen, zum NPD-Landesvorsitzenden und Schulungsleiter der Jungen Nationaldemokraten (JN)- Hessen. Kurzzeitig schien es, als ob Gansels Karriere im Jahr 1999 etwas ins Stocken geraten würde, als der Hausmeister der Marburger Burschenschaft "Normannia-Leipzig zu Marburg" sich des Nachts über „Sieg Heil"-Rufe bei einigen Burschen beschwerte und dafür aus Gansels Luftgewehr beschossen wurde. Während dieser ganzen Jahre lebte Gansel im Haus der Dresdensia-Rugia im Grossen Steinweg, womit wir zum Kern dieses Textes kommen:

Zwischen Säbelrasseln, Koma- Saufen und organisiertem Neonazismus-
die Giessener Burschenschaft Dresdensia- Rugia

Hervorgegangen ist die Dresdensia- Rugia aus den Burschenschaften Rugia zu Greifswald und Dresdensia zu Leipzig, erstere entstand nach der Revolution 1848, als Studentenverbindungen allmählich gesellschaftsfähig wurden. Im National-sozialistischen Deutschland wurde die Rugia zu Greifswald eingegliedert. Nachdem dem völkischen Wahn und Grossmachtsbestreben der Deutschen 1945 vorerst ein jähes Ende gesetzt wurde, bestand für diese Verbindungen auf dem Gebiet der DDR keine Möglichkeit mehr an alten Traditionen festzuhalten,und so schlossen sich die beiden Verbindungen 1951 in Frankfurt zusammen, mit dem Ziel, die Ursprungsburschenschaften in Leipzig und Greifswald alsbald möglich neu zu gründen. Im Wintersemester 1969/'70 mußte die Verbindung wegen Mitgliedermangel auf Eis gelegt werden, wurde jedoch leider bereits 1971 in Giessen von fünf "Abtrünnigen" Mitgliedern der Burschenschaft Germania reanimiert.
Nach der Wende wurde im Jahr 1990 die Burschenschaft Rugia zu Greifswald von örtlichen Studenten neu gegründet, woraufhin diese und die Burschenschaft Dresdensia-Rugia zu „einer Burschenschaft, die an zwei Hochschulen existiert" fusionierte. Organisiert im völkisch-nationalistischen Dachverband Deutsche Burschenschaften (DB), gehört sie dort zum äusserst rechten Flügel.
In Giessen hat die schlagende Verbindung, bei der die Fechtmensur Zwang ist, mit einem Haus im Grossen Steinweg 21 seit Jahren ein Quartier bezogen, in dem sich Säbelrassler und organisierte Neonazis förmlich die Klinke in die Hand geben.
Schon bei einem flüchtigen Blick ins Gästebuch der „Heimatseite"- man gibt sich hier in der Wahl der Begrifflichkeiten bereits betont „Deutsch"- dieser Verbindung fällt auf, dass sie Reihenweise „Standing Ovations" von alten und neuen Nazis bekommt, die die Giessener Scherpenträger ob Ihrer nationalistischen Ausrichtung und Ihrem Festhalten daran trotz der Kritik der „Roten" loben.
Dies ist jedoch beileibe nichts Neues: Bereits ab dem Jahr 1987, nachdem der „Christlich-Konservative Arbeitskreiss Giessen/ Mittelhessen" unter maßgeblicher Beteiligung der Dresdensia- Rugia gegründet wurde, fanden in ihrem Domizil zahlreiche Veranstaltungen mit Referenten der erzkonservativen bis neofaschistischen Szene statt. So bspw. mit dem Bundesvorsitzenden der Republikaner und „Altem Herren" der ebenfalls in Giessen ansässigen Burschenschaft Germania, Rolf Schlierer. Neben Dr. Hans Dietrich Sander, Autor in zahlreichen neofaschistischen Publikationen, traten auch CDU-Mitglieder im Rahmen der Veranstaltungsreihe 1992 auf. Das der „Konservative Arbeitskreis" als gemeinsames Forum für Erzkonservative und Neonazis diente, wird neben der Beteiligung von CDU-Vertretern auch durch das Mitwirken von RCDS-Mitgliedern (dem Universitätsverband der CDU) deutlich. Erst als es bei einem Vortrag mit dem CDU- Rechtsaussen Heinrich Lummer zu entschiedenen, zum Teil militanten Protesten von AntifaschistInnen kam, sahen sich die Alten Herren in Angst um das Image ihrer Verbindung, zur Androhung finanzieller Sanktionen genötigt um ein Ende der Veranstaltungen der Aktivas durchzusetzen. Diese Zurückhaltung erscheint angesichts der Tatsache, dass sich mit Dr. Wolfgang Traxel zu dieser Zeit ein Autor zahlreicher rechtsradikaler Medien von Junge Freiheit bis National-Zeitung in den Reihen der Alten Herren befand, umso mehr als taktisches Manöver.
Nach Jürgen W. Gansels Erscheinen in Giessen fanden ab 1998 wieder Veranstaltungen in den Räumlichkeiten der Dresdensia- Rugia statt, unter anderem mit Dr. Claus Nordbruch, der während seinem Studium in Süd-Afrika Kontakte zwischen örtlichen und deutschen Faschisten organisierte. Unter der Obhut militanter Nazi-Skinheads, die teilweise den Schutz der Veranstaltungen organisierten, konnten ungestört von antifaschistischen Interventionen lokale Kader wie der NPD-Landesvorsitzende Hessen, Thomas Hantusch, die Betreiber des Nazi-Gemischtwarenladens Zutt`s Patriotentreff, Alfred und Doris Zutt aber auch bundesweit bekannte Neonazis wie Horst Mahler im Grossen Steinweg ihrem Traum vom „Grossdeutschen Reich" in kollektiver Atmosphäre schwelgen.
In dieser trauten Runde trat auch der hessische CDU-Landtagsabgeordnete Hans-Jürgen Irmer als Referent auf, womit sich im Februar 2005, auch der Landtag auseinandersetzte. So versuchte die rot-grüne Opposition den Ausschluss Irmers zu erwirken. Neben eines von ihm im März diesen Jahres verfassten Artikels in der neofaschistischen Zeitschrift Jungen Freiheit, machte Irmer in den vergangenen Jahren immer wieder durch rassistische und homophobe Artikel in seinem „Wetzlarer Kurier" von sich reden. Dass Irmer, der im Januar 2004 auch einen Vortrag bei der Germania, ebenfalls in der Deutschen Burschenschaft organisiert und stets in guter Verbindungen zur Dresdensia-Rugia, eher eine Kontinuität als einige Ausrutscher nachzuweisen ist, macht seine Unterstützung zur Forderung nach „Freilassung von Rudolf Hess" in der Zeitung "Student" im Jahre 1977 deutlich. Kein Wunder, dass Irmer von dem Neuhofer Antisemiten Martin Hohmann Rückendeckung bekam, den das Schicksal eines Ausschlusses aus der CDU bereits ereilte.
Kurz nachdem Gansel aus Giessen wegzog tauchte der ebenfalls in der NPD und JLO organisierte Stefan Rochow auf und zog in das Verbindungshaus der Dresdensia- Rugia ein. Rochow ist seit 2002 Bundesvorsitzender der NPD-Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN) und seit dem Einzug der NPD in den sächsischen Landtag dort als wissenschaftlicher Mitarbeiter für Jugendarbeit tätig.
Ebenfalls ein Mitglied der Dresdensia- Rugia ist der wissenschaftliche Mitarbeiter der NPD im Landtag Sachsens, Arne Schimmer. Der Diplom-Ökonom soll beratend für die Themenbereiche „Wirtschaft und Globalisierung" den Fraktionsvertretern zur Verfügung stehen.
Zu Beginn des letzten Golfkrieges nutzen einige wenige lokale NPD-Aktivisten die Gunst der Stunde, um ihren anti-amerikanischen Ressentiments vor der hiesiegen US-Kaserne mit einem Transparent etwas Luft zu machen, als Rückzugsort zum Schutz vor antifaschistischem Protest diente ihnen das Verbindungshaus im Grossen Steinweg.

Angesichts dieser Häufung von Ungeheuerlichkeiten und Schweinereien, die zudem eine eindeutige Kontinuität aufzeigen, scheint es uns als Antifaschistinnen und Antifaschisten an der Zeit, eine Minimalforderung zu formulieren: Die Schliessung der Burschenschaft Dresdensia- Rugia!

Bei einem Blick auf die Rahmenbedingungen, die Burschenschaften im Allgemeinen bieten, insbesondere aber die im Dachverband Deutsche Bursachenschaft organisierten, scheint uns das Treiben der Giessener Rechtsausleger jedoch als wenig verwunderlich:

Burschenschaften- Hierarchien, Männerbündelei, Rassismus und Lebensbund als Wegbereiter erzkonservativer Traditionspflege
Das Ziel der Korporationen (Studentenverbindungen) ist die Erziehung hin zu erzkonservativen und nationalistischen Weltansichten, um im Lebensbund politische und gesellschaftliche Wirkungsmächtigkeit zu erzielen. Im Klartext heisst das: Die Ausbildung zukünftiger Eliten, oder- um es in den Worten des Alten Herren Manfred Kanther auszudrücken- „auch weiterhin national gesinnte junge Menschen in alle führenden Berufe unserer Gesellschaft zu entsenden".
Der Weg dorthin ist jedoch mit starren Regeln überzogen, von einer vorausgesetzten politischen Übereinstimmung der „Bundesbrüder" über Sanktionsmöglichkeiten wie Straftrinken zur Disziplinsförderung oder -bei den sogenannten „schlagenden Verbindungen"- Schulung zu einer militärischen Wehrhaftigkeit durch die Fechtmensur. In aller Regel bleibt der Weg in die zukünftigen Eliten allerdings nur deutschen Männern mit Wehrdiensterfahrung vorbehalten. Ohnehin erscheinen Frauen in der Welt der Burschenschafter -wenn überhaupt- nur als „schmückendes Beiwerk". Stereotype Geschlechterrollenzuschreibungen werden dort weiterhin verbreitet, das männliche Selbstverständnis dient als höheres Ideal gegenüber dem angeblich weiblichen, welches für Toleranz und Gleichheit stehe und somit ergibt sich ein Frauenbild, welches im 19. Jahrhundert stehengeblieben scheint. Diese „Werte" sind nicht Vereinbar mit emanzipatorischen, fortschrittlichen Vorstellungen und stehen im grassen Gegensatz zu unserem erklärten Ziel, welches da nicht weniger wäre als ein selbstbestimmtes Leben für alle Menschen, fernab von Konstrukten und Rollenzuweisungen, sei es aufgrund von Hautfarbe, sexueller Ausrichtung oder Verwertbarkeit in der kapitalistischen Verwertungslogik. Kurzum sollten somit Burschenschaften im Allgemeinen ins Visier antifaschistischer Theorie und Praxis genommen werden!
Beileibe scheint es jedoch angesichts der hiesigen gesellschaftlichen Zustände längst nicht damit getan zu sein:


"Mein Skateboard ist wichtiger als Deutschland" (Punkband Terrorgruppe)
Seitdem regionale und überregionale Medien über die braunen Umtriebe der Giessener Burschenschaft Dresdensia-Rugia berichteten, haben sich eine Menge Gruppen und Institutionen- von den Schlapphüten des Verfassungsschutzes bis hin zu „bürgerlichen" Antifaschistinnen zu Wort gemeldet und -berechtigterweise- die Gefahren eines erstarkenden Neofaschismus angesprochen. Was uns von diesen staatstragenden bis zivilgesellschaftlichen Kräften unterscheidet, ist die Erkenntnis, dass Deutschland ohne die Dresdensia-Rugia nicht unbedingt ein besserer Ort wäre, wenngleich diese NPD-Kaderschmiede einen besonders widerlichen Fleck in diesem Land darstellt.
Das Landesamt für Verfassungsschutz / Hessen (LfV) bspw. registrierte die Tätigkeiten der Dresdensia-Rugia bisher in keinem seiner Berichte. Stattdessen wurde auf Aktivitäten und Demonstrationen linker Gruppen gegen die Verbindung im Jahre 2003 hingewiesen. Dass das LfV nun von einer „neuen Oualität" spricht, nachdem die Parteikarrieren die besagten NPD'ler bereits in den sächsischen Landtag befördert haben, spricht entweder für völlige Unfähigkeit oder- wie bereits im Rahmen des gescheiterten NPD-Verbotes aufgrund zahlloser V-Männer in der Partei deutlich wurde- dafür, dass der Verfassungsschutz den Hauptfeind weiterhin „links" sieht. Auch die rot-grüne Empörung- sei es im Hessischen Landtag oder auf Bundesebene- wirkt in Zeiten, in denen Europa, forciert von deutschen „Sichervorstellungen"- seine Grenzen für Flüchtlinge dicht gemacht hat, die Abschiebemaschinerie perfektioniert ist, Otto Schily „Aufnahmelager" außerhalb von Europa fordert und die bis dato erbärmliche soziale Absicherung weiterhin wegrationalisiert wird, Deutschland „nicht trotz, sondern wegen Auschwitz" wieder an Kriegseinsätzen beteiligt ist, deutsche Täter und SympathisantInnen des NS-Regimes aus den Reihen unserer Grosseltern zu „Opfern" stilisiert werden und nicht zuletzt rund ein Viertel aller befragten Deutschen in einer Umfrage ihren Antisemitismus artikulieren, indem sie beteuern nicht „neben einem Juden wohnen (zu) möchten" ist es mehr als angebracht, ein paar Dinge klarzustellen:
Wir wollen keine „geläuterte" Berliner Republik sondern kein Stück weniger als eine Welt freier Individuen in einer klassenlosen Gesellschaft!
Daher erscheint es uns mehr als notwendig, ein paar Basisbanalitäten lautstark zu vertreten und dafür viele Mitstreiter und Mitstreiterinnen zu gewinnen!
In diesem Sinne:
-NPD- KADERSCHMIEDE DRESDENSIA- RUGIA DICHTMACHEN!
-NIE WIEDER DEUTSCHLAND!

Demonstration gegen die neofaschistische Burschenschaft Dresdensia-Rugia
Am: 28.05.05 13 Uhr Hiroshima-Platz (Innenstadt/vor Galeria Kaufhof) in Giessen
Aufrufende Gruppen:
AntiFa R4 Giessen, Gruppe Dissident Marburg, Demokratische Linke Giessen
Unterstützer: Autonome AntiFa f/Frankfurt, FAU Giessen, AStA der JLU Giessen, AntiFa Wetterau, Infoladen Giessen, Antifa Landau


indy- artikel: http://de.indymedia.org//2005/05/118230.shtml