03.12.14

Veranstaltungen zum 70. Jahrestag der Bombardierung Giessens

Am Wochenende jähren sich die Bombenangriffe auf die Stadt Giessen zum 70. mal, zu diesem Anlass finden mehrere Veranstaltungen statt. Ein kollektives (und obendrein noch öffentliches) Gedenken läuft in dieser eindimensionalen Form Gefahr, die Giessener Bevölkerung als Opfer darzustellen. Der Grund hierfür liegt darin, dass die Ereignisse, welche schlussendlich zur Bombadierung der Stadt führten, völlig außer Acht gelassen werden.

Eine von mehreren Veranstaltungen findet in der Petrusgemeinde statt. Es handelt sich um ein „Chorkonzert“, hierbei ist unter anderem ein Werk von Rudolf Mauersberger angekündigt. Rudolf Mauersberg war einst Chorleiter und Komponist und wurde 1933 Mitglied der NSDAP. Er leitete den Dresdener Kreuzchor, dessen Mitglieder zu dieser Zeit der „Hitler-Jugend“ angehörten. 1938 wurde ihm von Hitler obendrein der Professorentitel verliehen. Bei dem angekündigten Werk „Wie liegt die Stadt so wüst“ wird die Zerstörungen deutscher Städte thematisiert, die Ursachen allerdings nicht benannt.

Ein ebenso einseitiges Bild konnte entstehen als der damalige Oberbürgermeister Heinz-Peter Haumann anlässlich des 64. Jahrestag der Bombardierung Giessens 2008 von dem „schlimmsten Tag in der Geschichte dieser Stadt“ sprach.


Dabei hatte Giessen bei der Festlegung der Ziele keine herausragende Rolle; auf einer Liste von Orten mit Bahnanlagen, stand die Stadt an Position 31. In erster Linie sollte die Bahnanlagen zerstört werden um deutschen Nachschub effektiv zu behindern.

Die Bombardierung wird dadurch zum Mythos, da das eine hervorgehoben und das andere verschwiegen oder vergessen wird. Dies ist der Fall, wenn etwa nur „von der zerstörten Stadt“ oder dem „Tod deren Bewohner“ gesprochen wird. Verschwiegen wird dann, was dazu geführt hat. Oftmals werden Begrifflichkeiten gewählt, die den Eindruck erwecken es handelte sich hierbei um unschuldige Opfer. Aussagen wie „Der Krieg ging von deutschen Boden aus“ oder „die Katastrophe des 2. Weltkrieges“ haben keinerlei Bezug zur Stadt und blendet aus, dass es auch Giessener Bürger und Bürgerinnen waren, die sich an Bücherverbrennungen am 10. Mai 1933 beteiligten und die in der Reichspogromnacht sich nicht lange bitten lassen mussten um bei den Pogromen mitzumachen. Überdies gibt es etliche Institutionen die sich beteiligten, sowohl an der aktiven Verfolgung von Menschen die nicht dem deutschen Ideal entsprachen, als auch deren Enteignung und deren Deportation.


Dies sind alles Beispiele für ausgeblendete historische Fakten. Hier handelt es sich um einen Mechanismus dieses Mythos: Es werden nur bestimmte Teile erzählt - mit einem bestimmten Zweck. Man kann es einen "memorialen Sichtschutz" nennen oder einfacher gesagt: Wenn an die unschuldige deutsche Stadt erinnert wird, muss nicht an Auschwitz gedacht werden.