16.10.07

Kampagne "Nazis aus der Deckung holen!"

Neonazistrukturen im Schatten rechter Parteien
Parallel zu den etablierten rechten Parteien NPD, Republikaner und DVU existieren in Hessen schon seit langem Neonazistrukturen, die abseits der Öffentlichkeit agieren. Organisiert in Vereinen, 'Kameradschaften' (rechte Gruppierungen, die jenseits von Partei- und Vereinstrukturen organisiert sind und daher rechtlich schwer greifbar sind) oder als loser Zusammenschluß wirkten und wirken sie meist im Verborgenen. Die - im Vergleich zu Parteien - relativ unverbindlichen Stukturen besitzen vor allem für Jugendliche eine hohe Anziehungskraft. Darüberhinaus sorgen Konzerte, Partys, Kameradschaftsabende, Online-Versände etc. (deren Organisierung eng in diese parteiunabhängigen Strukturen eingeflochten ist bzw. sie zu einem nicht unerheblichen Teil ausmachen) für eine subkulturelle Erlebniswelt, die Jugendliche integriert und bindet. In Hessen sind derartige Strukturen vor allem in den eher ländlichen Regionen zu finden.

Hessische Strukturen - Ein kleiner Einblick
Kleidung
'Thor Steinar'
- Kleidungsmarke von Nazis für Nazis
- Im Stil üblicher Outdoor-Marken wie Beispielsweise Helly Hansen
- Versteckte Neonazicodes im Logo und den Beschriftungen

'Dobermann Deutschland'
- Ein Pendant zu Pit Bull - Germany
- Inhaber ist der ehemalige Rechtsterrorist Werner Kahl
- Teils klare Rassistische Slogans in den Aufdrucke



In Hessen existier(t)en zahlreiche Beispiele für solche Neonazistrukturen im Schatten der rechten Parteien. Anfang des Jahres 2004 wurde von antifaschistischen Gruppen aus Hessen auf eine solche Struktur hingewiesen. In Kirtorf, einem Dorf nahe Alsfeld, konnte die Kameradschaft 'Berserker Kirtorf' über mindestens zehn Jahre hinweg quasi ungestört von Polizei und Öffentlichkeit, Konzerte und Partys veranstalten. Dies mitten im Ort, in einem ausgebauten Schweinestall. Höhepunkt stellte eine Feier mit ca. 600 Besuchern aus dem Neonazispektrum dar. Derzeit werden in Kirtorf zwar keine Veranstaltungen mehr durchgeführt, die dortigen Strukturen sind jedoch nicht verschwunden, sondern lediglich auf andere Orte wie Homberg/Ohm in der nahen Umgebung ausgewichen.
Kirtorf stellt zwar ein besonders krasses Beispiel dar, Konzerte und Partys von und für Neonazis finden jedoch in ganz Hessen statt. Immer wieder werden solche Veranstaltungen - meist als Hochzeit oder private Geburtstagsfeier getarnt - erst im Nachhinein bekannt. Für die Neonaziszene sind sie jedoch ein wichtiger Baustein des rechten Lifestyles, der Rekrutierung und Organisierung.
Neben diesen größeren Events existieren in Hessen eine Reihe von bundesweit agierenden Online-Versänden und Labels, die ihre Kundschaft mit allem versorgen, was das Neonaziherz begehrt. Die KäuferInnen stammen dabei aus der gesamten Bundesrepublik bis in die USA.
In Lahnau/Mittelhessen existiert eines dieser Rechtsrocklabels unter dem Namen 'White Noise Records'. Die zum Label gehörenden Internetseiten sind unter anderem auf Patrick Rühl, der bis vor kurzem in Lollar bei Giessen wohnte, angemeldet.[1]
Inzwischen gehört zu dem Label 'White Noise Records' der 'Sleipnir-Shop', über den unter anderem CDs der ultrarechten Bands 'Blue Eyed Devils', 'Lunikoff Verschwörung', 'Frei und Stolz' sowie 'Nordfront' vertrieben werden. Zudem können dort auch Nazidevotionalien und Kleidungsstücke einschlägiger Marken wie 'Thor Steinar' und 'Dobermann Deutschland' erstanden werden.
Ein Versand mit einem Programm, das eher auf die Fußballszene ausgerichtet ist, stellt 'Football Fanworld' dar. Dort gibt es vor allem die letztgenannten Keidungsmarken sowie zahlreiche Neonazi-CDs mit Fußballbezug. Das Bestellpostfach für diesen Versandhandel befindet sich in Mücke im Vogelsbergkreis.
Bands
'Blue Eyed Devils'
- Blood & Honour-Vorzeigeband aus den USA
- Die CDs der Bands sind indiziert, jedoch online erhältlich

'Lunikoff-Verschwörung'
- Solo-Projekt des Sängers (Michael 'Lunikoff' Regener) der Band Landser
- Die Band Landser wurde 2001 als Kriminelle Vereinigung eingestuft und verboten
Gegenschlag'
- Band aus Kirtorf und Homberg/Ohm
- stehen der Kameradschaft 'Berserker Kirtorf' nahe
'Rachezug'
- Neonaziband aus Hungen
- spielte insbesondere im Jahr 2005 zahlreiche Konzerte
Als letzter Baustein der Neonazi-Erlebniswelt kommen noch zahlreiche rechte Musiker und Musikgruppen hinzu. Allein in Hessen, teils unweit von Giessen, sind drei deutschlandweit bekannte Nazibands ansässig: 'Gegenschag' aus Kirtorf, 'Rachezug' aus Hungen und 'Irmingot' aus dem LDK-Kreis. Sie stellen Bands dar, die bundesweit auf klandestinen Neonazitreffen auftreten und ihre CDs über die zahlreichen Online-Versände verbreiten.
Zusammengenommen ergibt sich aus diesen drei Bausteinen, Kameradschaften/ Neonazicliquen, Versände/Labels und Bands/Partys eine für Jugendliche attraktive Erlebniswelt. Über diese subkulturelle Ebene kann die Neonaziszene eine große Anzahl an Jugendlichen rekrutieren und binden.

NPD und Kameradschaften in Hessen
Unter dem Vorsitz von Marcel Wöll findet derzeit eine massive Umstrukturierung der NPD in Hessen statt. Neue Kreisverbände wurden gegründet (Gießen) und alte revitalisiert (Wetzlar). Zudem treibt Marcel Wöll, vormals Kopf der Kameradschaft 'Freie Nationalisten Rhein-Main', die Vernetzung zwischen den oben beschriebenen Strukturen und der NPD massiv voran. So demonstrierten am 07.07.2007 NPD und so genannte 'Freie Kräfte' (also parteiunabhängige Strukturen) gemeinsam durch ein Industriegebiet von Frankfurt/Main.
Für den Landtagswahlkampf Anfang des Jahres 2008 kündigte Marcel Wöll an, gemeinsam mit Kameradschaften 150 Wahlstände durchzuführen. Das sind durchschnittlich etwa 8 Wahlstände pro Wahlkreis!
Zumindest im Raum Frankfurt scheint das Konzept von Marcel Wöll aufzugehen. Die Kameradschaft 'Freie Nationalisten Rhein Main' beteiligt sich dort am Aufbau rechter (subkultureller) Strukturen und ist gleichzeitig eng an die NPD angebunden, was sich in der Unterstützung von NPD-Tätigkeiten zeigt.

Und jetzt...?
Da sich diese Neonazistrukturen im Schatten der rechten Parteien meist unbemerkt entfalten und etablieren können, gilt es diese aufzudecken. Mit dieser Kampagne soll im Raum Giessen ein Anfang gemacht werden.
Neonazis aus der Deckung holen bedeutet das Offenlegen und Problematisieren von Neonazistrukturen im Schatten der NPD!

Infostand und Ausstellung „Neofaschismus in Deutschland“

Termine: 13.10. Wetzlar 10-14h am Domplatz

20.10. Giessen 10-14h Seltersweg

weitere Terminankündigungen folgen...


eine Veranstaltung der antifaR4 und des AStA der JLU Giessen
[1] Siehe: Turn it down!